4.4.1 Am Anfang - Die Transition von der Familie in den Kindergarten

Gespeichert von Ralf Weiss am

Jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens eine Vielzahl von Transitionen (Übergängen), z.B. den Übergang vom Elternhaus in den Kindergarten, in die Grundschule oder in den Beruf. Sie stellen die Herausforderung, sich von Vertrautem zu verabschieden und sich auf neue Personen, Institutionen oder Abläufe einzulassen. Dies ist erstmal eine krisenhafte Situation. Gewohntes verändert sich. 

Im Rahmen unserer pädagogischen Arbeit, begleiten wir Kinder bei diesen Übergängen, damit sie gestärkt und zuversichtlich aus ihnen herausgehen und diese Erfahrung auf neue Lebenssituationen übertragen können.

Die begleitete Eingewöhnung ermöglicht einen schrittweisen Bindungsaufbau zwischen Kind, Eltern und pädagogischen Mitarbeiter*innen. Bindung ist die Basis für Bildung. Bildungsarbeit ist Bindungserleben, getragen von Nähe, Aufmerksamkeit, Zuneigung, Interesse, Staunen, Neugierde und Zutrauen. Das Kind erfährt, dass es in neuen Situationen nicht allein gelassen wird. Durch die Begleitung fühlt es sich getragen und kann leichter selbst aktiv werden. Eine begleitete Eingewöhnung kann das Kind für zukünftige Übergangssituationen positiv prägen. (Resilienz)

Jedes Kind bewältigt Übergänge in seinem eigenen Tempo. Es bekommt die Zeit für seine Eingewöhnung, die es braucht. Übergänge sind als gelungen anzusehen, wenn länger anhaltende Probleme ausbleiben, Kinder ihr Wohlbefinden zum Ausdruck bringen, sozialen Anschluss gefunden haben und die Bildungsanregungen der neuen Umgebung aktiv für sich nutzen. Um mehr über den Kindergarten und den Ablauf der Eingewöhnung zu erfahren, findet im Vorfeld ein Elternnachmittag statt. Hierbei werden deren Schwerpunkte sowie die bisherigen Erfahrungen des Kindes ausgetauscht und dokumentiert. 

Was ist Eingewöhnung? 

Eingewöhnung ist ein Prozess, der sich zwischen pädagogischem Mitarbeiter*in, einer für das Kind vertrauten Person (in der Regel Mutter oder Vater) und dem Kind selbst vollzieht. Während der Eingewöhnungszeit soll sich das Kind in unserer Einrichtung wohlfühlen. Durch die Anwesenheit der Eltern erfährt es Sicherheit und wird psychisch nicht überfordert. Das Kind bekommt die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt an die neue Umgebung und die neuen Personen zu gewöhnen.

So bereiten wir die Eingewöhnungszeit vor:

  • Elternabend
  • Austausch über bisherige Erfahrungen, Gewohnheiten und Interessen des Kindes
  • Willkommensbuch (mit Fotos des Kindergartens und des päd. Personals)
  • Schnuppertage
  • Begleitete Eingewöhnung
  • Feste Bezugspersonen
  • Eingewöhnungsgespräche und Beratung der Eltern
  • Eltern Café
  • Vorbereiten der Gruppe auf das Kind (Geburtstagskalender, Garderobenplatz mit Bild ausstatten)
  • Gespräche (Bilder anschauen) mit den Kindern- vorbereiten auf die neuen Kinder

Wie läuft Eingewöhnung ab?  Die begleitete Eingewöhnung

Die ersten drei Tage spielen für die Eingewöhnung des Kindes eine besonders wichtige Rolle und sollten nicht durch eine Trennung belastet werden. Wir arbeiten dabei in Anlehnung an das Berliner Modell. 

Die pädagogische Mitarbeiter*in wird sich in den ersten Tagen eher abwartend verhalten und das Kind beobachten. Die Eltern haben während der Eingewöhnung einen festen Platz in der Gruppe und bieten dem Kind einen sicheren Hafen. 

 Sollte das Kind keinen Kontakt zu ihr aufnehmen, wird die pädagogische Mitarbeiter*in die Initiative ergreifen. Sie wird neben den Eltern im Blickfeld des Kindes sein, wenn diese Ihr Kind füttern oder wickeln. Indem die Eltern in den ersten Tagen die pflegerischen Tätigkeiten übernehmen, können vertraute Abläufe genauso im Kindergarten übernommen werden. Nach ca. vier Tagen wird die pädagogische Mitarbeiter*in einen ersten Trennungsversuch vorschlagen. Die Reaktion des Kindes auf diesen ersten wirklichen Trennungsversuch in der neuen Umgebung enthält wichtige Anhaltspunkte über die Dauer der Eingewöhnungszeit. Wenn das Kind weint sobald die Eltern den Raum verlassen, sollten diese trotzdem hinausgehen, bleiben aber in der Nähe. Sollte die pädagogische Mitarbeiter*in das Kind nicht innerhalb von wenigen Augenblicken beruhigen können, wird sie die Eltern wieder in den Raum zurück bitten. Reagiert das Kind eher gelassen, wird sich die pädagogische Mitarbeiter*in mit den Eltern über das weitere Vorgehen beraten. Die Abwesenheit der Eltern wird schrittweise verlängert. 

Geschafft!

 Die Eingewöhnungszeit ist abgeschlossen, wenn die pädagogische Mitarbeiter*in das Kind im Notfall trösten kann. Das muss nicht heißen, dass das Kind nicht mehr weint, wenn die Eltern sich nach dem Bringen von ihm verabschieden. Wenn das Kind beim Abschied weint, drückt es damit aus, dass es die Eltern lieber in der Kita dabeihätte, denn das ist sein gutes Recht. Es wird sich jedoch nach Abschluss der Eingewöhnungszeit von der Erzieherin beruhigen lassen. 

Falls möglich, sollten Eltern ihr Kind in den ersten drei Wochen nur halbtags in der Kita betreuen lassen. Eltern sollten bedenken, dass auch bei einer guten Eingewöhnung Ihr Kind all seine Kraft und sein Können braucht, um sich mit den neuen Verhältnissen vertraut zu machen. Eine Ganztagsbetreuung von Anfang an erschwert Ihrem Kind diese Aufgabe. 

Die Wichtigkeit der Eltern während der Eingewöhnung? 

Die bloße Anwesenheit der Eltern in der Einrichtung genügt, um für das Kind einen „sicheren Hafen“ zu schaffen, in den es sich jederzeit zurückziehen kann. Die Eltern suchen sich einen festen Platz in der Gruppe. Sie lassen ihr Kind zu sich kommen und gehen, wie es will. Drängen es aber zu keinem bestimmten Verhalten. Eltern können währenddessen beobachten, wie sich ihr Kind auf den Weg in sein neues Lernumfeld macht. Sie signalisieren, ich bin jederzeit für dich da. Meist geht das Kind fröhlicher und gelassener auf die neue Situation zu, weil die Eltern noch anwesend sind. Dies wäre in den meisten Fällen ganz anders, wenn die Eltern sich sofort verabschieden würden.

Viele Eltern sind in den ersten Trennungstagen sehr traurig, ängstlich oder auch im Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Manchmal plagt sie auch das schlechte Gewissen. Hier hilft sicherlich ein Gespräch mit den pädagogischen Mitarbeiter*innen, der Einrichtungsleitung oder mit anderen Eltern, die ähnliche Erfahrungen haben. Wenn Eltern selbst eine positive Einstellung zur pädagogischen Mitarbeiter*in und zum gesamten Kindergarten haben, wird Ihr Kind diese sicherlich übernehmen.

Die Eingewöhnungszeit verläuft individuell. Deshalb ist es wichtig, die Entwicklungsfortschritte nicht mit anderen Kindern zu vergleichen. Hat Ihr Kind ausreichend Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen, wird es später umso aktiver und offener die neue Umgebung erkunden und Lernen wird möglich. 

Die Verabschiedung 

Eine klare Zäsur ist wichtig. Für das Kind erleichtert ein kurzes, klares Abschiedsritual den Übergang in die Gruppe. Ein unbemerktes, nicht kommuniziertes Verabschieden der Eltern kann das Vertrauen des Kindes in die Eltern beschädigen. Das Kind lässt die Eltern dann nicht mehr aus den Augen oder klammert, um ein plötzliches „Verschwinden“ zu verhindern. Wenn das Kind aber eine vertrauensvolle Beziehung zu den pädagogischen Mitarbeiter*innen aufgebaut hat, lässt es sich nach Ihrem Weggang rasch trösten. Nach unserer Erfahrung reagieren Kinder auf einen kurzen und konsequenten Abschied mit weniger Stress. Eltern können sicher sein, dass wir auf sie zukommen, wenn es Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung und während des Tages geben sollte.